2019 schicken wir unser Dialogformat „Mitdenken“ an den Start. Ja warum denn so etwas? Die Hochzeit von Blogs und Online-Magazine ist doch eigentlich vorbei. Gibt es dabei also irgendwas besonderes? Besonders ist schon mal, dass es bei den Dialogen „fifty fifty“ zugehen soll. „Machen wir doch einfach halbe-Halbe!“ haben wir uns gesagt: Dem, was bei Debatten für gewöhnlich übersehene oder lästige Nebensache ist, dem Nach- und Vordenken über das WIE des lauten Denkens soll exklusiv Raum gegeben, Aufmerksamkeit zuteil werden. Wortklauber unter sich?
„Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.“ und „Alle Philosophie ist Sprachkritik.“ Ludwig Wittgenstein zeichnete voraus, was die Diskurskultur unserer Tage mitunter so unerfreulich bis unnütz macht. Überdeutlich zeigt sich: Die Welt verbessern wollen alle. Aber der Streit um das Wie kommt allzu oft dazwischen.

Auch wir hoffen sehr, dass wir alles auch wirklich richtig machen.

Es zählt nicht nur, dass ich weiß, wovon ich rede. Es ist auch von Vorteil, wenn ich weiß, welche Formen von Sprache welche Effekte provozieren. Kann ich, mag ich beispielsweise mit den für viele – aber nicht alle – schrecklichen Folgen langer Texte oder kurzweiliger Spiele leben? Die bei der Präzisierung des Gemeinten ihre Rolle spielenden sprachlichen Formen jedenfalls habe ich in der Regel nicht erfunden sondern übernommen. Welche Bedeutungen haben die Mitmenschen, von welchen ich die sprachlichen Formen, Begriffe, Rhetorikfiguren direkt oder mittelbar übernommen habe, damit an Bedeutung assoziiert? Welche Bedeutungsgebungen gibt es noch, welche sind möglich? Im Gepäck tragen viele der von uns im Alltag mehr oder minder bedacht verwendeten „Containerbegriffe“ Bedeutungen mit sich, derer sich Menschen mitunter nicht bewusst sind.

Wie links ist eigentlich rechts und wie ab wann wird rechts link? Der Sprachschatz erweist sich mitunter als eine Art Erbe mit uneingelösten Verbindlichkeiten … Darüber hinaus spielt die analoge / digital verfremdete Form, in welcher Diskurse gestaltet, ja „gespielt“ werden eine Rolle für das, was an Bedeutung assoziiert und in Entscheidungen bzw. Handlungen übersetzt werden kann. Über die Jahre ist das nicht nur uns aufgefallen, dass auch die Form, das Wie für den Erfolg von „Weltverbesserungsmaßnahmen“ eine Rolle spielen. In allen weltanschaulichen Lagern bekundet man Notwendigkeit und Interesse an Debattenkultur. Es lebe die Demokratie hurra, hurra! Wie schnell die Toleranz, ja das Interesse an den außerirdisch anmutenden Standpunkten der anderen Partei und Sichtweise erschöpft ist, wird durch das Bewusstsein um die Relevanz des Wie von Sprachbenützung und Dialogorganisation mitbestimmt. Wir haben in den letzten Jahren quer durch alle weltanschaulichen Lager und Blasen einige Experimente in Sachen Diskurskultur analysiert. {Aktuelle – Stand 10/2018 – Exemplare: 1,2,3,4,5} Zwischen dem, was menschenmöglich ist an Methoden und Techniken der Förderung von Verständigung und dem, was insbesondere in affektiv aufgeheizten Debatten schon genutzt wird, liegen Lichtjahre. Aber irgendwie muss man ja zur Welt kommen … möchten wir als Spezies und Bewohner unseres einzigen Raumschiffes Erde allmählich zu einer Sprache von Verständigung finden. Wie?

Bei folgenden Gestaltungsaspekten lohnt es sich aus unserer Sicht besonders mit Unterschiedsbildungen zu experimentieren: Angesichts einer zumindest teilweise ziemlich stark erkrankten Welt ist es naheliegend, sich dort nach „Medizin“ umzuschauen, wo mit Hilfe der Sprache versucht wird, Unheiliges zu heilen; in der Psychotherapie, Beratung, natürlich auch in den Künsten gibt es viele Methoden und „Schulen“ für Sprachkultur. Womit anfangen?
Aus dem Bereich systemtheoretisch beeinflusster Therapieschulen gibt es das Konzept von „Problemdeterminierten Systemen“. {6} Von dieser Idee ausgehend wollen wir schauen, was wir erreichen, wenn wir das Wie unseres Sprechens und Denkens über Probleme verändern. Wie finden, dass die Art und Weise wie gemeinhin über Probleme gesprochen und gedacht wird dazu geführt hat, dass Probleme stiefmütterlich behandelt werden. Insbesondere trivialisierende Auffassungen von Lösungsfokussierter Sprache haben u. E. dazu beigetragen. Dabei hat schon Karl Popper betont: Alles Leben ist Problemlösen.“ Mit Blick auf die Kompetenz und Kerngeschäft von Wissenschaft wollen wir die sprachliche Form „Problem“ etwas von seinem schlechtem Image befreien. Je früher gesellschaftliche Probleme wahrgenommen und je präziser sie operationalisiert werden, desto besser ist es um die Chancen auf Weltverbesserung bestellt.

Z2: Wir starten im Januar als vergleichsweise bescheidendes WordPress-Blogzine. Je nachdem, wie gemütlich oder rasch es gelingt, Freude am Mitdenken zu provozieren, wäre es uns Ehre und Vergnügen, wenn aus den Diskursen Sinn stiftende Projekte erwachsen und praktisch Nützliches herbeigeredet werden kann. Auf einigen Baustellen der Weltverbesserung drängt allmählich die Zeit … Je nach Bedarf kann man zu den einfachen, konventionellen Kommunikationstools wie Blogs, Chats, Collaboration Tools auch integrationsmächtigere Diskurssysteme hinzu schalten. Aus der Didaktik wissen wir; Laßt uns mit dem Einfachen beginnen. Hab wir es uns damit allzu gemütlich gemacht, warten komplexere mikrodidaktische Formate darauf, in die Dimension des Digitalen und in verwandelter Form von daher wieder zurück „übersetzt“ zu werden. Media is the Massage?
(1) https://dbate.de/
(2) https://www.lasst-uns-streiten.de/
(3) https://www.fluter.de/streit
(4) https://nuoviso.tv/pro-contra/
(5) https://www.zeit.de/gesellschaft/2012-11/streitkultur-editorial
(6) https://perspective-daily.de/
(7) https://www.nzz.ch/feuilleton/der-echte-polemiker-kaempft-mit-einem-schwert-von-der-groesse-eines-kommas-ld.1369274

Position: Verlagsprogramm / Transfer // Mitdenken